Einfach erklärt: Product Engagement
Als Produktverantwortlicher haben Sie es sicherlich schon einmal erlebt: Wochenlang arbeitet Ihr Team an einem überragenden Feature … und dann wird es nicht einmal benutzt. Hier kommt das Product Engagement (Produktbindung) ins Spiel. Diese Produktbindung bezieht sich auf die Fähigkeit eines Produkts oder Funktion, die Nutzer aktiv einzubinden, zu begeistern und langfristig an sich zu binden, indem es einen Mehrwert und eine positive Erfahrung bietet.
Was ist Produkt Engagement?
Product Engagement gibt Auskunft darüber, wie gut Ihre Kunden Ihr Produkt oder Funktion nutzen. Es handelt sich quasi um eine Kategorie, die sowohl Metriken zur Messung aller Interaktionen Ihrer Kunden mit Ihrem Produkt als auch eine Reihe von unterschiedlichen Strategien zu deren Verbesserung umfasst.
Was ist der Unterschied zwischen aktive und engagierte Nutzer?
Product Engagement ist ein relativ neues Konzept. Es hat im SaaS-Bereich vor allen den Begriff der „aktiven Nutzer“ ersetzt. In der Vergangenheit haben Produktteams den Erfolg des Produkts an der Anzahl der aktiven Benutzer gemessen. Aktive Benutzer waren diejenigen, die sich mindestens einmal im Monat bei Ihrem Produkt anmeldeten, wodurch Ihre MAU (monatlich aktive Benutzer) bestimmt wurde.
Das Problem bei der Verwendung von aktiven Nutzern als Maßstab für den Erfolg ist, dass nicht alle aktiven Benutzer für Sie als Unternehmen wertvoll sind. Beispielsweise in einem Freemium: Es gibt Nutzer die sind zwar monatlich aktiv, nutzen allerdings nicht die entscheidende Funktionen, um wirklich zu konvertieren.
Dieses Problem soll das Product Engagement lösen.
Engagierte Nutzer sind diejenigen, die Kernfunktionen ständig nutzten und davon profitierten.
Warum ist Product Engagement so wichtig?
Ich komme ursprünglich aus dem E-Commerce und bin inzwischen für ein SaaS-Produkt verantwortlich. Diese Frage lasse ich Shareholder gerne selbst beantworten: „Würden Sie für ein Produkt bezahlen, das Sie nicht nutzen?“
Wahrscheinlich nur, wenn es sich um ein Produkt handelt, für das Sie sich angemeldet und es dann vergessen haben. Wer möchte ernsthaft eine Firma aufbauen, wessen Modell darauf basiert, dass Menschen vergessen, sich von Ihrem Produkt Service abzumelden?
Die Alternative besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich Kunden ständig mit einem Produkt beschäftigen und es mit Freude nutzen.
Die Produktbindung ist dabei einer der entscheidenden Faktoren, die das Produktwachstum vorantreiben, den Lebenszeitwert erhöhen und die Rentabilität steigern (engagierte Benutzer geben 60 % mehr aus!), indem sie das Produkterlebnis verbessern, die Kundenbindung erhöhen und damit die Churn-Rate (Abwanderung bzw. Kündigungen) minimieren.
Tatsächlich sind die erfolgreichsten SaaS-Unternehmen wie Slack oder Monday.com diejenigen, die ihr Kundenengagement perfektioniert und dafür gesorgt haben, dass ein erheblicher Prozentsatz ihrer Kunden ihre Produkte täglich nutzt.
Wie messe ich Produktbindung richtig?
Product Engagement ist zu oberflächlich, denn jedes Team und jedes Unternehmen versteht darunter etwas anderes. Die gute Nachricht ist, dass es ziemlich einfach ist, das Engagement zu messen, solange Sie sich darüber im Klaren sind, was „Engagement“ für Ihr Produkt bedeutet.
Im Folgenden finden Sie ein bewährtes Verfahren, mit dem Sie Engagement definieren und messen können.
Schritt 1: Definieren Sie Ihre Schlüsselaktionen
Ihre Nutzer sind engagiert, wenn sie Ihr Produkt ständig benutzen. Wir können den Begriff „Ihr Produkt nutzen“ so definieren, dass sie bestimmte Aktionen innerhalb Ihres Produkts durchführen.
Diese Aktionen sind je nach Nische, Größe und Anwendungsfällen, die Sie abdecken, sehr unterschiedlich.
Für ein soziales Netzwerk wären das beispielsweise die folgenden Aktionen:
- Benutzer posten Updates.
- Schreiben Sie Kommentare.
- Gefällt mir, Gefällt mir nicht oder „Herz“ für einen Beitrag.
- Freunde hinzufügen oder jemandem folgen.
- Den Beitrag einer anderen Person teilen, usw.
Dies ist ein großer Unterschied zu einem eCommerce-Shop, wo engagierte Nutzer:
- nach Produkten suchen und deren Beschreibungsseiten ansehen.
- Artikel in ihren Warenkorb legen.
- einen Kauf tätigen, usw.
Der erste Schritt bei der Messung des Engagements wäre also die Ermittlung und Auflistung dieser Schlüsselaktionen für Ihr Produkt. Aber was ist, wenn es viele Dinge gibt, die Nutzer tun können, und ich nicht sicher bin, welche davon ich verfolgen und messen soll?
In diesem Fall sollten Ihre Schlüsselaktionen diejenigen sein, die dem Nutzer den größten Nutzen bringen.
Praxisbeispiele für eine Schlüsselaktion:
Wenn Sie einen E-Mail-Dienst wie Gmail nutzen, interessiert Sie vor allem das Senden von E-Mails oder das Lesen der empfangenen E-Mails. Diese beiden Aktionen sind die Punkte, bei denen Sie einen Nutzen aus dem Produkt ziehen.
Daher ist die Schlüsselaktion in diesem Fall einfach zu definieren: Je öfter Sie diese Aktionen durchführen, desto zufriedener sind Sie mit dem Produkt.
Würden wir hingegen die Anzahl der von Ihnen erhaltenen E-Mails verfolgen, würde uns das nicht wirklich sagen, wie engagiert Sie sind. Es könnte sich um ein totes E-Mail-Konto handeln, das Sie nie öffnen und das täglich Hunderte von Spam-Nachrichten erhält.
Schritt 2: Prioritäten bei Ihren Schlüsselaktionen
Nicht alle Aktionen sind gleichwertig. In der Liste der Schlüsselaktionen, die Sie erstellt haben, könnten einige für Ihre Benutzer wertvoller sein als andere. Daher müssen Sie nicht nur eine Liste erstellen, sondern im zweiten Schritt diese Liste auch nach Wichtigkeit ordnen.
Diese Priorisierung erweist sich später als sehr nützlich, wenn Sie eine Reihe von Bereichen in Ihrem Produkt haben, die nicht optimal funktionieren.
Um den Wert jeder Aktion auf Ihrer Liste zu bestimmen, können Sie diese Taktiken anwenden:
Die Datenanalyse
Wenn Sie bereits über einige Daten verfügen, versuchen Sie, Regressionsdiagramme zwischen Ihren Aktionen und Ihren Geschäftsergebnissen wie Wachstumsrate, Umsatz oder Konversionsrate zu erstellen. Auf diese Weise können Sie die Maßnahmen ermitteln, die am meisten zum Erfolg Ihres Unternehmens beitragen.
Beispiel für Regressionsdiagramme
Stellen Sie sich vor, Sie leiten eine Musikdienst-App ähnlich wie zum Beispiel Spotify, und Ihr Team hat zwei Schlüsselaktionen identifiziert – das Streamen eines Songs und das Abonnieren eines Künstlers.
Sie möchten jetzt herausfinden, welche Schlüsselaktion die höchste Conversion erzielt. Zu diesem Zweck können Sie die Daten in ein einfaches Tabellenblatt exportieren und zwei Regressionsdiagramme erstellen.
Durch die Analyse dieser beiden, können wir sehen, dass:
- Die Zunahme der täglichen Streams erhöht auch unsere Konversionsrate.
- Die Anzahl der Künstler-Abonnements führt nicht zu einer Steigerung der Conversion.
- Daher sind die Streams den Künstlerabonnements als Schlüsselaktionen überlegen.
Die Nutzerinterviews
Sind wir ehrlich. Daten sind King, dass wissen wir alle. Doch es gibt genug Szenarien, in welchen wir eben genau diese Daten nicht haben. Hier die Alternative: Wählen Sie den Weg der Nutzerbefragung. Ihr Ziel ist es, Ihre Schlüsselaktionen nach dem Wert zu priorisieren, den sie für Ihre Nutzer haben. Warum fragen Sie sie also nicht direkt?
Einige der Fragen und Aufgaben, die Sie Ihren Nutzern stellen können sind folgende:
- Erstellen Sie eine Liste von Schlüsselaktionen und bitten Sie die Benutzer, sie nach ihrer wahrgenommenen Wichtigkeit zu ordnen.
- Verwenden Sie dieselbe Liste wie oben, aber bitten Sie die Benutzer, die drei für sie wichtigsten auszuwählen.
- Fragen Sie, wie sie sich fühlen würden, wenn wir diese Funktion/Aktion plötzlich aus unserem Produkt entfernen würden.
Hinweis: Obwohl alle drei Methoden wertvolle Daten liefern können, führt meiner Erfahrung nach die dritte Methode zu den besten Erkenntnissen, da die Kunden nun erklären, warum sie diese Funktion benötigen.
Schritt 3: Engagement-Metriken definieren & Leistung messen
Lassen Sie uns Status Quo festhalten: Wir wissen, welche Funktionen für unsere Nutzer wichtig sind. Nun besteht unser nächster Schritt darin, die Metriken zu definieren, die wir für jede dieser Schlüsselaktionen verfolgen wollen.
Gehen wir zurück zum Anfang: Wenn Ihre Schlüsselaktion das Streamen von Musik ist, wollen Sie dann die Gesamtzahl der Musikstreams, die durchschnittliche Rate pro Monat oder den Prozentsatz der Streams, die das Ende des Liedes erreicht haben, berechnen?
Um diese Herausforderung zu meistern, empfehle ich die Verwendung des BDF-Frameworks. Dieses Framework besagt, dass jede Schlüsselaktion vier Gruppen von Metriken hat, die es wert sind, verfolgt zu werden – Breite, Tiefe und Häufigkeit (daher BDF).
Beispiel für BDF-Metrikgruppen
Für den Fall des Musikstreaming wären unsere Metriken folgende:
- Breite: Die Anzahl der Nutzer, die jeden Tag Musik streamen (auch bekannt als DAU).
- Tiefe: Durchschnittliche Anzahl der täglichen Streams.
- Häufigkeit: Prozentualer Anteil der wöchentlichen Streaming-Nutzer, die auch täglich streamen (auch bekannt als DAU/WAU oder Stickiness).
Eine weitere wichtige Kennzahl, die es zu verfolgen gilt, ist die AHA!-Moment-Konversionsrate. Ihre Nutzer erreichen ihren AHA!-Moment, wenn sie zum ersten Mal den Wert Ihres Produkts erfahren. In unserem Streaming-Beispiel erreichen die Nutzer ihren AHA!-Moment, wenn sie den Song finden, den sie lieben, und anfangen, ihn zu streamen.
Um die Konversionsrate für den AHA!-Moment zu berechnen, teilen Sie einfach die Anzahl der Nutzer, die ihn erreicht haben, durch die Gesamtzahl der Nutzer Ihres Produkts.
Schritt 4: Analysieren!
Die Vorbereitung ist nun weitgehend abgeschlossen. Jetzt kann das Tracking beginnen.
In der Welt der Software funktioniert Tracking/Analytik folgendermaßen:
hre Nutzer führen eine Aktion in Ihrem Produkt aus (z. B. einen Stream starten).
- Es gibt einen speziellen Code in Ihrem Produkt, der ein Ereignis auslöst (z. B. ein Nutzer hat gerade einen Stream gestartet) und diese Daten an das Analysetool sendet.
- Das Analysetool speichert dieses Ereignis unter dem entsprechenden Benutzerabschnitt in seiner Datenbank.
- Sie erstellen ein Diagramm in Ihrem Analysetool und konfigurieren es so, dass es eine Art von wertvollen Informationen anzeigt (z. B. die Anzahl der täglich aktiven Streamer im letzten Monat).
- Die Analysetools rufen die relevanten Daten ab, führen Berechnungen durch und zeichnen das Diagramm für Sie.
Wie aus diesem Prozess ersichtlich ist, müssen wir, nachdem wir das Analysetool unserer Wahl (z. B. Analytics oder Amplitude) implementiert und eingerichtet haben, auch unser Technikteam bitten, den Code zu schreiben, der die Ereignisse auslöst.
Schritt 4: Engagement-Bericht erstellen
Moderne Analysetools bieten eine Vielzahl von Diagrammen und Berichten, aus denen Sie wählen können. Einige der Berichte, die ich in der Verwendung habe, sind:
Gewöhnliche Diagramme: Dies ist ein einfaches Diagramm, das Sie für jedes Ereignis erstellen können. Damit können Sie Ihre DAU im Laufe der Zeit verfolgen.
Segmentierte Diagramme: Mit dieser Art von Bericht können Sie Nutzerkohorten anhand ihrer Leistung vergleichen (z. B. die durchschnittliche Anzahl von Streams pro Tag für kostenlose Nutzer im Vergleich zu Pro-Nutzern).
Trichter: Mithilfe von Trichtern können Sie die Reise Ihrer Nutzer untersuchen und Stellen finden, an denen die Nutzererfahrung abbricht.
Wie kann ich das Produkt Engagement verbessern?
Ich kann Ihnen eins garantieren: Es gibt immer eine Funktion, die unterdurchschnittlich abschneidet. Das gehört zum Dasein eines Produktmanagers.
Also, was können Sie tun, wenn Ihre Produktbindung schlecht ist?
Meiner Erfahrung nach gibt es vier Hauptgründe für ein geringes Engagement von Features:
- Schlechte Auffindbarkeit der Funktionen.
- Schlechte AHA! Momente bei der Konvertierung und beim Onboarding.
- Überfrachtete Benutzeroberflächen.
- Schlechte Kundenunterstützung.
In den meisten Fällen hat die Mehrheit Ihrer Benutzer keine Ahnung, dass Sie eine neue Funktion veröffentlicht haben. Nicht alle von ihnen lesen Ihre Versionshinweise oder die E-Mails, die Sie ihnen mit Funktionsankündigungen schicken. Daher müssen Sie die Auffindbarkeit in die UX Ihres Produkts einbauen und In-App-Lösungen entwickeln.
Wenn Ihre Benutzer Stunden (oder sogar 30 Minuten) damit verbringen müssen, 10-20 Schritte zu durchlaufen, um den entscheidenden Wert Ihres SaaS-Produkts zu erfahren, wird die große Mehrheit von ihnen schnell das Interesse verlieren und aufgeben, bevor sie ihren AHA!-Moment erreichen.
Deshalb ist es wichtig, dass Sie die Zeitspanne und die Anzahl der Schritte, die Ihre Nutzer benötigen, um ihren AHA! Moment zu erreichen deutlich reduzieren.
Und eine der wichtigsten Punkte zum Schluss:
Manchmal liegt der Grund dafür, dass die Nutzer Ihre Funktionen nicht bemerken oder nicht nutzen, in der Fülle der anderen Funktionen auf Ihrer Benutzeroberfläche. Wenn es zu viele davon gibt, werden Ihre Benutzer sie zunehmend ignorieren und nur die Funktionen wahrnehmen, die sie ständig benutzen.
Daher ist es immer eine gute Idee, Ihre Benutzeroberfläche zu entschlacken und einige der Funktionen zu streichen. Um zu entscheiden, welche Funktionen Sie loswerden wollen, können Sie Ihre priorisierte Liste von Aktionen und Ihre Engagement-Berichte verwenden.
Die Prioritätenliste enthält alles, was Sie nicht anfassen sollten, da es Ihren Nutzern einen Mehrwert bietet, während Ihre Engagement-Berichte Ihnen zeigen, welche Funktionen weit unter Ihrem Schwellenwert liegen.
Viel Freude beim Nachdenken.